Seit Beginn der Corona-Pandemie mussten sich auch in Niedersachsen Familien mit
umfassenden und plötzlichen Veränderungen ihrer Lebensumstände
auseinandersetzen. Neben der Schließung von Kindertagesstätten, Schulen, Geschäften, Gastgewerbe und öffentlichen Einrichtungen belastete die Unsicherheit über die eigene berufliche Zukunft viele Eltern sehr. Zudem wirkt die Krise wie ein Brennglas, unter dem die unterschiedlichen sozialen Ausgangsbedingungen scharf hervortreten: Familien in sowieso schon angespannten Situationen mussten mit noch mehr Einschränkungen umgehen. Andere genossen zum Teil sogar die Entschleunigung und können ggf. Konsequenzen für die Zukunft aus dieser Erfahrung ziehen. Hier sollen spezielle Aspekte hervorgehoben werden, aus denen sich insbesondere für die Zukunft lernen lässt.
- Die Rechte von Kindern auf Kontakt mit Gleichaltrigen, auf Bildung und auf
kindgemäße Freizeitaktivitäten wurden in der Krise stärkstens eingeschränkt.
Zum Beispiel Kinder aus sozial benachteiligten bzw. schwierigen Familien litten
und leiden psychisch unter den Schulschließungen, da sie zu Hause kein
geeignetes Lernumfeld haben und es an Endgeräten wie Laptops mangelt. Zudem
fehlten ihnen die wichtigen sozialen Kontakte. Diese Kinder wurden durch die
Corona-Pandemie noch mehr abgehängt. - Die Familien haben in der Shutdown-Phase Funktionen, die von externen
Institutionen in familienunterstützender und -ergänzender Weise übernommen
werden (Kindertagesstätten, Schulen, Kantinen, …), selber übernehmen müssen.
Sie haben dies zum Teil als Chance, überwiegend und auf Dauer aber als
Belastung erlebt. - Die Krise hat für Wochen umfassend alle Systeme lahmgelegt, die zur
Vereinbarkeit von Familie und Beruf erforderlich sind. Die Platzvergabe für die
Notbetreuung wurde von Eltern als intransparent und nicht fair empfunden. - Das gleichzeitige Betreuen von Kindern und Arbeiten im Homeoffice fiel wie
selbstverständlich mehrheitlich den Müttern zu. - Vor allem Alleinerziehende sind in dieser Zeit besonders belastet, da sie meist
keine weitere Person zur Unterstützung zur Verfügung haben. - Als systemrelevant stellen sich insbesondere Berufsgruppen heraus, in denen
überdurchschnittlich viele Frauen tätig sind: Pflege, Erziehung, Bildung und
Einzelhandel. - Unterstützung für psychisch beeinträchtigte oder behinderte Menschen und
Familien in schwierigen Lebensverhältnissen fand zu lange nur auf niedrigstem
Niveau statt. - Nach der Krise werden Familien erst recht Erholung von dieser anstrengenden,
angespannten Zeit brauchen, auch Gelegenheit zur Verarbeitung. Vereinzelung
tut Menschen auf Dauer nicht gut. Soziale Nähe zum „Aufwärmen“ wird
besonders gesucht und geschätzt werden. - Wirtschaftliche Unsicherheit und Belastung wird viele Familien noch länger
begleiten. Steigende Arbeitslosigkeit und eine Welle von Insolvenzen sind zu
befürchten. Eine erste Auswertung zur KiCo-Studie zeigt, dass bereits jetzt 30 %
der befragten Eltern mehr finanzielle Sorgen haben als vorher [Quelle].
Die positiven Erkenntnisse aus der Lockdown-Zeit dürfen nicht wieder vergessen
werden:
- Wie wichtig Bewegung an der frischen Luft ist. Dafür braucht es für
alle Kinder genügend anregende, sichere Bereiche zum draußen
Spielen
=> kindgerechte Stadtplanung - Wie wichtig ausreichend Platz zum Spielen auch in der Wohnung ist.
Dafür braucht es genügend bezahlbaren Wohnraum auch für Familien
mit kleineren Einkommen. - Wie wichtig ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Eltern und
Kindern ist. Dafür braucht es genügend gemeinsame Zeit um
Beziehungen aufzubauen und zu festigen.
=> Elterngeld/Elternzeit flexibel ausbauen
=> arbeitsfreie Sonn- und Feiertage gemäß Grundgesetz sichern - Wie wichtig eine qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte Bildung,
Erziehung und Betreuung in Kita, Tagespflege und Schule ist zum
Ausgleich unterschiedlicher Startchancen, zur Begegnung mit
Gleichaltrigen, zum Ermöglichen einer geschlechtergerechten
Arbeitswelt.
=> Fachkräfteoffensive intensivieren
=> einheitliche Kriterien für die Vergabe von Notbetreuungsplätzen - Wie wichtig Ansprechpartner außerhalb der Familie sind, wenn mal
nicht alles glatt läuft. Dazu braucht es niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote.
=> präventive Angebote zuverlässig finanzieren - Digitale Formen der Zusammenarbeit müssen weiterentwickelt
werden: Homeoffice und Videokonferenzen helfen ineffiziente und
umweltbelastende Reisezeiten zu reduzieren und können ein Beitrag
zu leichterer Vereinbarkeit von Berufs- und Familientätigkeit (bezogen
auf Kindererziehung und Pflege) für Frauen und Männer sein.
Gleichzeitig führen sie aber auch zu einer Verdichtung und
Entgrenzung der Arbeit.
=> Flexible Arbeitsformen fördern ohne Selbstausbeutung - Digitale Lernformen sollten weiterentwickelt und als Lösung für
eventuelle spätere Notsituationen vorgehalten werden. Das erleichtert
den Lernenden den Einstieg in eine digitale Arbeitswelt. Alle Kinder
und Jugendlichen müssen Zugang zur notwendigen technischen
Ausstattung bekommen.
=> Digitalpakt Schule umsetzen, Leihgeräte bereitstellen - Viele pädagogische Fachkräfte haben sich engagiert und kreative Ideen
entwickelt, wie sie Familien unterstützen können.
=> Diese Beispiele systematisch auswerten, Notfallpläne entwickeln
Fazit: Familien sind das Grundgerüst der Gesellschaft. Um eine Gesellschaft
krisensicher aufzustellen, helfen familienunterstützende Angebote. Die Konzepte der
niedersächsischen Familienpolitik zu geförderter Familienbildung, Familienerholung
und Familienfreizeiten mit Bildungsangebot, die von Familienverbänden und Freier
Wohlfahrtspflege umgesetzt werden, sind genau die richtigen: kleinräumige Erholung
innerhalb Deutschlands und Gruppenangebote mit viel informellem Lernen und
Vernetzungscharakter. Diese Angebote müssen in Kooperation mit den Kommunen
dauerhaft gesichert und ausgebaut werden.